Chronische Schmerzen sind eine komplexe und häufig unterschätzte Gesundheitsproblematik, die das Leben vieler Menschen stark beeinträchtigt. In der Schweiz ist mindestens jede:r sechste Einwohner:in, das heißt ca. 1,5 Millionen Menschen, von langanhaltenden Schmerzen betroffen. Die Lebensqualität wird durch persistierende Schmerzen massiv beeinträchtigt, wodurch chronische Schmerzen ein regelrechtes gesellschaftliches Problem darstellen.
Was ist Schmerz?
Gemäss der IASP (International Association For The Study Of Pain) gilt folgende Definition:
«Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit einer tatsächlichen oder potentiellen Gewebeschädigung einhergeht oder einer solchen ähnelt.»
Damit wird beschrieben, dass Schmerz sowohl aufgrund einer vorhandenen Gewebeschädigung entstehen kann, aber auch existiert, ohne dass eine Verletzung oder Entzündung im Gewebe vorliegt. Schmerz beschreibt also in erster Linie ein Signal unseres Körpers, ähnlich wie Hunger, Durst, Kälte oder Wärme. Es ist ein wichtiger Bestandteil unserer Sinnes- und Gefühlsempfindungen.
Wozu brauchen wir Schmerz?
Schmerz ist ein Signal unseres Körpers, das uns vor möglichen Gefahren wie z. B. einer Gewebeschädigung warnt. Es funktioniert also ähnlich wie eine Alarmanlage. Noch bevor ein großer Schaden entsteht, meldet uns unser Nervensystem Gefahr mit dem Signal Schmerz. Als Beispiel dafür kannst du dir eine heiße Herdplatte vorstellen. Wenn du aus Versehen mit der Hand auf die heiße Herdplatte fasst, verspürst du innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde Schmerzen, die dich dazu bringen, reflexartig deine Hand von der Platte zu nehmen. Im Normalfall ist deine Reaktion so schnell, dass du noch keine großen Brandblasen an der Hand hast und deine Haut noch mehrheitlich intakt ist. Das bedeutet, der Schmerz kam, bevor der Schaden in deiner Hand entstand, um dich vor einem möglichen Schaden zu bewahren.

Was ist akuter Schmerz?
Von akuten Schmerzen sprechen wir immer dann, wenn eine klare Ursache in unserem Körper vorliegt (z. B. ein Knochenbruch, eine Entzündung oder eine Schnittwunde). Diese Verletzung sollte möglichst im Verhältnis zu den vorhandenen Schmerzen stehen. Z. B. ein gebrochener Arm verursacht in den ersten Stunden starke Schmerzen, die dann aber im Verlauf der folgenden sechs Wochen, wenn der Knochen wieder heilt, abnehmen und schließlich ganz verschwinden. Wir sprechen also von akutem Schmerz nach einer Gewebeverletzung oder einer Entzündung. In diesem Fall hat der Schmerz eine gewisse Schutzfunktion und dient uns als Warnsignal, um zu zeigen, dass etwas nicht in Ordnung ist.

Was sind chronische Schmerzen?
Im Gegensatz zu akuten Schmerzen, die eine klare Ursache haben und nach der Heilung des zugrunde liegenden Problems abklingen, persistieren chronische Schmerzen über einen längeren Zeitraum hinweg – oft länger als drei bis sechs Monate. In diesem Fall hat das Schmerzsignal seine ursprüngliche Schutzfunktion verloren. Der Schmerz verselbstständigt sich und hat nicht mehr viel mit einem Gewebeschaden zu tun. Daraus entsteht eine eigenständige Krankheit: das chronische Schmerzsyndrom. Seit dem Jahr 2022 sind chronische Schmerzen nun offiziell als Diagnose anerkannt.
Chronische Schmerzen können durch eine Vielzahl von Faktoren ausgelöst werden. Persistierende Schmerzen werden immer in einem bio-psycho-sozialen Krankheitsverständnis betrachtet und auch behandelt. Diese Schmerzen können stark variieren in Intensität, Art und Dauer und beeinflussen sowohl körperliche, psychische als auch soziale Aspekte des täglichen Lebens.

Ursachen und Mechanismen
Die genauen Ursachen für die Entwicklung chronischer Schmerzen sind oft komplex und individuell unterschiedlich. Es kann eine Dysregulation des Nervensystems geben, bei der Schmerzsignale weiterhin gesendet werden, auch wenn die ursprüngliche Verletzung oder Krankheit bereits abgeklungen ist. Dies führt zu einer Art «Schmerzgedächtnis», bei dem Schmerzempfindungen verstärkt oder dauerhaft werden können.
Auswirkungen auf das Leben
Chronische Schmerzen beeinflussen nicht nur die körperliche Gesundheit, sondern haben auch erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität. Betroffene haben oft Schwierigkeiten, ihren Alltag zu bewältigen, ihr Berufs- und Sozialleben zu pflegen, und es treten häufig Begleiterscheinungen wie Schlafstörungen, Depressionen oder Angstzustände auf.

Behandlungsmöglichkeiten
Die Behandlung von chronischen Schmerzen erfordert häufig eine ganzheitliche Herangehensweise (multimodaler Ansatz). Dazu gehören medikamentöse Therapien, physiotherapeutische Maßnahmen, psychologische Unterstützung sowie alternative Therapien wie Akupunktur oder Entspannungstechniken. Zudem weiß man, dass eine gute Patientenaufklärung dazu beiträgt, Schmerzen direkt zu lindern, da dadurch mehr Verständnis für die eigene Problematik vorhanden ist. Ein individuell angepasster Behandlungsplan ist entscheidend, um Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Fazit
Chronische Schmerzen sind ein ernsthaftes Gesundheitsproblem, das ein tieferes Verständnis und eine ganzheitliche Herangehensweise erfordert. Betroffene sollten sich nicht scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, um ihre Schmerzen zu bewältigen und wieder ein aktives Leben zu führen.
Quellen
IASP. (2020). IASP Revises Its Definition of Pain for the First Time Since 1979. Von IASP-Pain: https://www.iasp-pain.org/wp-content/uploads/2022/04/revised-definition-flysheet_R2-1-1-1.pdf abgerufen
Nobis, H., & Rolke, R. (2019). Herausforderung Schmerz. Von Deutsche Schmerzgesellschaft e.V.: https://www.schmerzgesellschaft.de/patienteninformationen/herausforderung-schmerz/was-ist-schmerz abgerufen
swi. (04. 11 2003). jeder sechste Schweizer hat chronische Schmerzen . Von swissinfo.ch: https://www.swissinfo.ch/ger/jeder-sechste-schweizer-hat-chronische-schmerzen/3601046 abgerufen
swiss pain society. (2024). ICD-11. Von swiss pain society: https://swisspainsociety.ch/de/aktuelles/icd-11/ abgerufen
USZ. (2024). Schmerzen (akuter und chronischer Schmerz). Von Universitätsspital Zürich (USZ): https://www.usz.ch/krankheit/schmerzen-akuter-und-chronischer-schmerz/ abgerufen