Wie das Gehirn Schmerzen wahrnimmt

Hast du dich jemals gefragt, warum wir Schmerzen fühlen? Oder warum manche Menschen stärkere Schmerzen empfinden als andere? Die Antwort liegt in deinem Gehirn. Es spielt eine entscheidende Rolle in der Wahrnehmung und Verarbeitung von Schmerzen.

Wie verarbeitet das Gehirn Schmerzen?

Unser Gehirn spielt eine zentrale Rolle bei der Schmerzwahrnehmung. Aber Schmerzen entstehen nicht einfach nur in dem Bereich, wo wir sie fühlen – sie werden in mehreren Schritten vom Körper ans Gehirn und dann von dort aus wieder zurück zum Körper geschickt. Hier ist eine einfache Erklärung:

Schmerzsignale werden gesendet

Wenn du dich verletzt, etwa an einem Finger schneidest oder dir den Rücken verrenkst, registrieren die Schmerzrezeptoren in deiner Haut oder in den inneren Organen den Schaden. Diese Rezeptoren sind spezialisierte Nervenzellen, die auf Druck, Temperatur oder Verletzungen reagieren. Wenn diese Rezeptoren aktiviert werden, senden sie ein Signal durch deine Nervenbahnen bis zum Rückenmark und schließlich zum Gehirn.

Das Rückenmark als „Tor“

Das Rückenmark funktioniert wie eine Art „Tor“, das entscheidet, ob der Schmerz ans Gehirn weitergeleitet wird. Wenn das Rückenmark die Schmerzsignale empfängt, entscheidet es, wie stark der Schmerz wahrgenommen wird. Es kann die Signale entweder weitergeben oder abschwächen. Zum Beispiel, wenn du dich an einem Finger schneidest, wird das Signal direkt ans Gehirn weitergeleitet. Bei weniger schwerwiegenden Reizen könnte das Rückenmark entscheiden, das Signal nicht so stark weiterzugeben.

Das Gehirn wertet das Signal aus

Wenn die Schmerzsignale das Gehirn erreichen, wird das Signal bewertet. Das Gehirn prüft, wie intensiv es ist, wo es herkommt und wie gefährlich es ist. Der Bereich des Gehirns, der für die Schmerzbewertung zuständig ist, ist der Thalamus. Von dort aus wird der Schmerz an verschiedene Bereiche im Gehirn weitergeleitet, um die Reaktion zu steuern. Der präfrontale Cortex bewertet dann, wie wichtig der Schmerz ist und ob wir ihn überhaupt wahrnehmen. Das limbische System entscheidet, wie emotional der Schmerz empfunden wird (z. B. Angst oder Frustration).

Die Schmerzreaktion

Das Gehirn entscheidet, wie wir auf den Schmerz reagieren. Es kann den Schmerz verstärken, um dich zur Vorsicht zu mahnen, oder es kann den Schmerz reduzieren, wenn es merkt, dass er keine Gefahr mehr darstellt. Auch die Ausschüttung von Schmerzhemmenden Substanzen, wie Endorphinen/Glückhormonen (den „körpereigenen Schmerzmitteln“) kann durch das Gehirn gesteuert werden, um die Schmerzen zu lindern.

Warum empfinden wir Schmerzen unterschiedlich?

Unsere Wahrnehmung von Schmerz hängt von vielen Faktoren ab, darunter:

  • Negative Emotionen: Stress, Angst und Depressionen können Schmerzen verstärken. Das liegt daran, dass Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin im Körper ausgeschüttet werden, die die Schmerzempfindung verstärken können.
  • Erfahrungen: Frühere Schmerzen beeinflussen, wie wir zukünftige Schmerzen wahrnehmen. Menschen, die in der Vergangenheit oft Schmerzen erlebt haben, könnten sensibler gegenüber Schmerzen werden, da das Gehirn eine Art „Schmerzgedächtnis“ entwickelt hat.
  • Kulturelle und soziale Einflüsse: Unsere Umgebung und Erziehung spielen ebenfalls eine Rolle. In manchen Kulturen wird Schmerz als Zeichen von Schwäche angesehen, in anderen ist es ein Zeichen von Mut. Diese kulturellen Einstellungen können deine Schmerzwahrnehmung beeinflussen und sogar dazu führen, dass du Schmerz weniger oder mehr empfindest, je nachdem, wie du gelernt hast, mit Schmerz umzugehen.

Wie können wir das Gehirn bei chronischen Schmerzen beruhigen?

Das Ziel ist, dem Gehirn zu signalisieren, dass keine Gefahr besteht. Das kannst du erreichen durch:

  • Achtsamkeitsübungen: Diese helfen, das limbische System zu beruhigen.
  • Sanfte Bewegung: Sie reguliert die Schmerzverarbeitung.
  • Positive Gedanken und Visualisierungen: Diese können helfen, die Schmerzwahrnehmung zu verändern.

Fazit

Das Gehirn ist eine mächtige „Schmerzmaschine“ – aber das bedeutet auch, dass wir aktiv Einfluss darauf nehmen können. Mit den richtigen Techniken kannst du deinem Gehirn beibringen, Schmerz anders zu bewerten, und so deinen Alltag mit chronischen Schmerzen verbessern.

Quellen:

  • Speckmann E.-J., Hescheler J. & Köhling R. (2013) Physiologie. Nozizeption und Schmerz. S. 73-84. 6. Auflage Elsevier GmbH, München
  • Apkarian, A. V., Bushnell, M. C., Treede, R.-D., & Zubieta, J.-K. (2005). Human brain mechanisms of pain perception and regulation in health and disease. European Journal of Pain, 9(4), 463–484. https://doi.org/10.1016/j.ejpain.2004.11.001
  • Wiech, K., Ploner, M., & Tracey, I. (2008). Neurocognitive aspects of pain perception. Trends in Cognitive Sciences, 12(8), 306–313. https://doi.org/10.1016/j.tics.2008.05.005
  • Tracey, I., & Mantyh, P. W. (2007). The cerebral signature for pain perception and its modulation. Neuron, 55(3), 377–391. https://doi.org/10.1016/j.neuron.2007.07.012

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